Energetische Sanierung im Bestand – Teil 1: Status quo und Beratung

Erfahrungsbericht

23.05.2023

7 Minuten

Es ist eine große Aufgabe, die mehr als 19 Mio. Wohnhäuser in Deutschland fit für die Energiewende zu machen. Auch unser ehemaliger Kollege Jürgen Mai beschäftigt sich privat gerade intensiv mit diesem Thema. Hier teilt er seine Erfahrungen.

Einfamilienhaus: Thermografie-Aufnahme der Außenwand

Autor: Mainova Redaktion

Freut euch auf folgende Themen:

Etwa 19,4 Mio. Wohnhäuser gibt es in Deutschland. Sie fit für die Energiewende zu machen, ist eine große Aufgabe. Auch unser ehemaliger Kollege Jürgen Mai beschäftigt sich privat gerade intensiv mit dem Thema „energetische Sanierung“. Konkret geht es dabei um sein neu gekauftes Einfamilienhaus, Baujahr 1979. Wir haben Jürgen gebeten, seine Gedanken, sein Vorgehen und seine Erfahrungen in einer kleinen Serie mit uns zu teilen. Lest jetzt alles über die erste Etappe mit der gar nicht so trivialen Analyse des Status quo, Stopps auf Energiemessen, der Suche nach Beratung und den Vorteilen einer Thermografie.

Ein Haus mit hohem Energieverbrauch

Uns überkommt ein ungutes Gefühl, als wir die Strom- und Gasabrechnungen der Vorbesitzer unseres neuen Eigenheims studieren. Für rund 170 m² Wohnfläche hat das ältere Ehepaar mehr als 7.000 kWh Strom und gut 30.000 kWh Erdgas verbraucht. Ich krame im Gedächtnis und erinnere mich an Vergleichsaussagen wie: „7.000 kWh Strom – so viel verbrauchen kleine Betriebe …“

Doch ein Betrieb war in dem Haus in Eddersheim sicher nicht tätig. Wir haben es im Frühjahr 2022 gekauft. Es handelt sich um eines der vielen freistehenden Einfamilienhäuser in der Main-Taunus-Gemeinde, in einem Ortsteil von Hattersheim. Die Eckdaten: Baujahr 1979, zwei Etagen (Erdgeschoss, Souterrain), Eckgrundstück, 500 m² Garten, Erdgasanschluss. Immerhin kein Öl, haben wir bei unserer ersten Besichtigung im Spätherbst 2021 gedacht. 4 Monate später bricht der Krieg in der Ukraine aus und es gibt nicht wenige, die die Frage „Erdgas oder Öl?“ nun anders bewerten.

Wo geht die Energie verloren?

Der hohe Verbrauch beschäftigt uns. Sind die alten Fenster schuld? Ist die vor einigen Jahren durchgeführte Außendämmung nicht fachgerecht umgesetzt worden? Sollten wir das Dach – hier liegen die Ziegel direkt auf den Holzbalken – dämmen? Obwohl andererseits die oberste Geschossdecke gedämmt ist? Und woraus resultieren die hohen Stromkosten? Ich merke beim Schreiben dieses Berichts, wie schwierig es ist, Ordnung in die vielen Gedanken zu bringen, die rund um dieses Projekt kreisten und noch immer kreisen.

Aus der Mietwohnung ins Eigenheim

Schon beim Hauskauf an sich gibt es einiges zu bedenken und jede Menge zu tun. Finanzierung, Umzug, anstehende Modernisierungsschritte … Was muss vor dem Einzug gemacht werden, was kann warten? Wie kriegen wir die bisherige Wohnung möglichst schnell übergabefähig? Wie viele Monate Mietwohnung plus Hausfinanzierung können wir uns parallel leisten?

Kurz: Wir hatten schlicht nicht die Zeit, uns vor dem Einzug in Ruhe mit grundlegenden Fragen der Energieversorgung zu beschäftigen. Wir sind beide voll berufstätig, haben einen Sohn im Kindergartenalter und haben bislang stets in Mietwohnungen gelebt. Wenn es da Probleme gibt, ruft man die Hausverwaltung oder den Vermieter an. Man ärgert sich vielleicht, wenn es mal etwas länger dauert, sich der Vermieter gegen Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen ausspricht oder bei innovativen Konzepten wie zum Beispiel PV-Mieterstrom nicht mitzieht. Aber prinzipiell ist das in Sachen Energiewende eine Situation, die ressourcenschonend für das eigene Gehirn ist. Denn die „großen“ Fragen („Welches Heizsystem nutzt man?“ oder „Investiert man in erneuerbare Energien?“) liegen in der Regel außerhalb der eigenen Entscheidungshoheit.

Die Energiewende muss im Bestand gelingen

Wenn ich von Neubauprojekten und neuen Quartieren lese, bin ich immer neidisch. Diese werden von vorneherein klug und integriert geplant, mit stimmigen Konzepten für Strom, Wärme und Mobilität, mit Photovoltaik, Erdwärme und Carsharing-Lösungen. Dazu zählen zum Beispiel das Hilgenfeld oder das Schönhofviertel in Frankfurt. Aber ich bin auch überzeugt: Die Energiewende wird im Bestand entschieden. Nur mit Neubauten wird sie nicht gelingen. Im Jahr 2021 wurden gerade einmal 103.000 neue Wohngebäude fertig gestellt. Es ist also die träge Masse des Bestands, die fit gemacht werden muss, wenn die Energiewende gelingen soll. Oder wie es der dena-GEBÄUDEREPORT 2023 formuliert: „[…] Grundsätzlich ist der Wärmeerzeugermarkt dennoch sehr statisch. Trotz der Notwendigkeit zur Klimaneutralität und der relativ hohen Anteile erneuerbarer Energien im Neubau verändert sich die Beheizungsstruktur des Wohnungsbestands mit etwa 0,2 bis 0,3 % jährlich nur sehr langsam.“

So sparsam und energieeffizient wie möglich

Wir sind uns einig. Das Haus soll möglichst wenig Energie verbrauchen und möglichst aus erneuerbaren Quellen versorgt werden. So sparsam wie möglich, so effizient wie möglich – und natürlich auch so kostengünstig wie möglich. Nachhaltigkeit ist uns wichtig, wobei wir keine Dogmatiker sind, sondern pragmatisch. Wir sind skeptisch, ob die Strategie „alles rausreißen und neu machen“ nachhaltig ist. Wir wertschätzen das, was vorhanden ist, und überlegen, ob und wie das Bestehende genutzt werden kann. Wir haben im Haus zum Beispiel eine seit Jahrzehnten nicht mehr genutzte Feuerstelle. Könnte man die vielleicht reaktivieren, um bei Bedarf auch unabhängig zu sein? Kurz: Wir suchen die Balance im Dreieck aus Umweltfreundlichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit.
 

Den Status quo des Altbaus kennen und verstehen

Ein Rückblick auf die Situation im Sommer 2022: Wir sind eingezogen, das Haus ist farblich einmal aufgefrischt, einige Böden sind neu. Wir haben entschieden, in Sachen Energie aus der Not eine Tugend zu machen. Wir möchten unser neues Heim jetzt erst einmal kennenlernen, analysieren und einen Winter darin wohnen. Mit der jetzigen Gasheizung, einer Brennwerttherme von 2003. Die Lektüre des Positionspapiers „13 Thesen für einen treibhausneutralen Gebäudebestand“ des Umweltbundesamts beruhigt uns. Dort heißt es: „Die Wirtschaftlichkeit von Sanierungsmaßnahmen ist für Eigentümer methodisch nicht einfach zu berechnen, da unter anderem die künftige Entwicklung der Energiepreise nur schwer zu prognostizieren ist. Hinzu kommt, dass häufig Energieverbräuche, Energiekosten und Einsparpotentiale unzureichend transparent sind. Gebäudeeigentümern fehlt es auch oft an Informationen über die weiteren Vorteile, die mit einer energetischen Sanierung in der Regel verbunden sind, wie der Verbesserung des Wohnkomforts und der Wertsteigerung des Gebäudes. Insgesamt führt dies zu einer hohen Risikoaversion der Gebäudeeigentümer und Eigentümergemeinschaften, so dass sogar wirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen häufig unterbleiben.“

Sanierungsfahrplan: Alle Informationen sind willkommen

In den nächsten Monaten entwickeln wir uns zu Schwämmen und saugen so viele Informationen wie möglich auf. Lassen uns auf der Energieeffizienzmesse in Wallau inspirieren und knüpfen Kontakte zu Smarthome-Anbietern, Kaminbauern und lassen uns bei Mainova über die Kombi von Photovoltaik und Ladeinfrastruktur informieren – für uns ein Zukunftsthema, aber eine interessante Option. Wir nutzen einen der Auftritte des am Willy-Brand-Platz, diskutieren die Zukunft unserer Gasheizung und erhalten Informationen über die Möglichkeit von Thermografie-Aufnahmen, was genau unser Interesse, den Status quo zu analysieren, trifft – aber dazu gleich mehr.

Gleichzeitig bemühen wir uns um einen Energieberater, der unser Haus vor Ort besucht und ergattern schließlich einen Ersttermin für Juli 2023. Wir entscheiden uns, den Weg ins Smarthome zu gehen, im ersten Schritt mit smarten Heizungsthermostaten, Fenstersensoren und Rollladensteuerung. Ich bin überzeugt, dass die dadurch erzeugte Achtsamkeit zu Energiesparsamkeit führt und kann zum Beispiel morgens in der S-Bahn checken, ob nicht doch irgendwo „aus Versehen“ kleine Kinderhände den Heizkörper auf 28 °C gedreht haben. Wir entwickeln uns zu YouTube-Junkies und schauen insbesondere die Videos vom „Energiesparkommissar“ mit Freude. Wir modernisieren die Wasserentkalkung – eher ein Randthema, das jedoch auch beim Energiesparen hilft, denn weniger Kalk (Eddersheim hat sehr hartes Wasser) führt zu besserer Heizleistung.

Energiesparen im Fokus

Überhaupt Energiesparen: Wir lesen viel, hören Podcasts (z. B. die Folge der Mainova Energieimpulse mit dem „Energiesparkönig“) und sind motiviert, die vielen Tipps im Alltag umzusetzen. Wir kaufen einen neuen Herd und einen neuen Kühlschrank mit bestmöglicher Energieeffizienz und entsorgen rund 15 Neon-Röhren, die als zusätzlicher Lichtkreis zur Simulation von Anwesenheit im Urlaub installiert waren. Das regeln wir nun über unsere Smarthome-App. Und die Maßnahmen zeigen Wirkung. Wir gehen davon aus, dass wir den Stromverbrauch im Haus um rund 40 %, den Gasverbrauch um etwa 25 % reduzieren können.
Dank einer weiteren Folge des Mainova-Podcasts Energieimpulse werden wir auf das Angebot einer Energieberatung der Landesenergieagentur Hessen (LEA) aufmerksam. Bei der Energiespar-Hotline können sich Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Kommunen über kurzfristige Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs informieren, erhalten aber auch mittel- und langfristige Anregungen für mehr Energieeffizienz. Auch diese Möglichkeit werden wir natürlich gerne nutzen.

Eine Thermografie gibt Aufschluss über die Dämmung

Infrarot-Aufnahme des Wohnhauses

An einem Montagabend klingelt um 23 Uhr mein Telefon, als ich ausnahmsweise mal eine Nachtschicht im Büro einlege. Meine Frau klingt hektisch: „Da hat gerade jemand geklingelt und läuft ums Haus herum.“ Nachdem ich mir kurz das Datum vergegenwärtigt habe, fällt mir ein: „Mist – wir haben den Termin für die Thermografie-Aufnahmen vergessen.“ Ich spreche am Telefon mit dem Mitarbeiter der Firma delta GmbH, die wir über die Mainova AG gebucht haben. Bilder an diesem Tag machen nun keinen Sinn mehr, da wir die nötigen vorbereitenden Maßnahmen nicht durchgeführt haben. Am nächsten Tag erkläre ich dem Kundenservice unser Missgeschick und wir erhalten einen neuen Termin, dieses Mal um 6 Uhr morgens – denn die Infrarotaufnahmen müssen möglichst nachts gemacht werden, damit der Temperaturunterschied von innen und außen möglichst hoch ist. Das Prozedere dauert nur 15 Minuten, 2 Wochen später haben wir die Auswertung. Die Bauteile „Sockelbereich“, „Fenster“, „Wand“ und „Anschlussbereich Dach“ werden jeweils auf einer Skala von 1 (=optimal) bis 5 (=mangelhaft“) bewertet und erläutert. Wir sind sehr zufrieden, auf den Bildern ist ganz viel blau und ein bisschen gelb. Den Aufnahmen zufolge sind die Wände optimal gedämmt, auch die Fenster liefern ordentliche Werte und bekommen eine „2“. Unsere Angst verflüchtigt sich. Scheinbar waren die hohen Werte vor allem dem individuellen Verhalten der Vorbesitzer geschuldet.

Sechs Tipps zu Infrarotaufnahmen

  • Türen und Fenster ab 2 Stunden vor dem Termin geschlossen halten
  • Jalousien und Rollläden öffnen
  • Alle Räume ab 12 Stunden vor dem Termin gleichmäßig auf mindestens 20 °C heizen
  • Vorher prüfen, ob alle Gebäudeteile gut fotografiert werden können
  • Falls nein: mit den Nachbarn absprechen, dass man ggf. ihr Grundstück betreten möchte, um einen besseren Winkel zu haben
  • Der Termin kann vom Anbieter auch in Eigenregie durchgeführt werden – aber die Möglichkeit, mitzulaufen und Fragen stellen zu können, lohnt das frühe Aufstehen oder die unterbrochene Nachtruhe!

Nun aber kurz zurück zu unserem Thermografie-Ergebnis. Mit den Dämmwerten haben wir vermutlich gute Voraussetzungen, um die nächsten Schritte anzugehen. Eine entscheidende Frage: Wie bekommen wir die Wärme- und Stromversorgung in Richtung erneuerbare Energien gedreht?

Neugierig? Na dann, stay tuned! Wie es mit Jürgens persönlicher Energiewende im Eigenheim weitergeht, erfahrt ihr im nächsten Teil des Erfahrungsberichts. Mehr Informationen rund um eure effiziente Energieversorgung findet ihr immer auch hier im Blog sowie auf Instagram, Facebook und YouTube.


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