Mit Netflix die Wohnung heizen? Das Potenzial von Abwärme nutzen

Heizen

28.06.2024

6 Minuten

Abwärme lässt sich effizient zum Heizen von Gebäuden nutzen. Wir verraten, welches Potenzial dahintersteckt und was Rechenzentren mit Kühlschränken gemeinsam haben. Dazu gibt’s spannende Einblicke in aktuelle Abwärme-Projekte.

Erstellt von Mainova Redaktion

Pärchen beim Zappen auf dem Sofa

Freut euch auf folgende Themen:

Bis zu 90-mal schauen wir am Tag aufs Handy. Checken E-Mails, nutzen Messenger-Dienste, streamen, nehmen an Videokonferenzen teil, navigieren zur Konzert-Location, geben den Stand des Stromzählers ein oder liken Beiträge in Social-Media-Kanälen. Das World Wide Web ist ein mächtiges Werkzeug und durchdringt fast alle Facetten des Alltags. Aber kann es auch Räume heizen oder Wasser erwärmen? Diese Frage beschäftigt insbesondere die Betreiber von Rechenzentren. Und auch uns als Energiedienstleister. Wir erklären euch, wie das im beliebten Kulturzentrum Batschkapp und in Wohnquartieren in und um Frankfurt funktionieren wird.
 

Rechenzentren helfen uns im Alltag – und funktionieren wie ein Kühlschrank

Rechenzentren sind das Rückgrat des Internets und Grundlage für die weitere Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Sie sorgen dafür, dass die vielen digitalen Dienste funktionieren, die unseren Alltag erleichtern. In Rechenzentren laufen die notwendige Technik und Infrastruktur zusammen. Kleines Beispiel: Auch wenn wir nur per Messenger-Service eine Nachricht an die Kollegin schicken, gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie durch bis zu vier Rechenzentren geht, ehe es im Nachbarbüro „Ping“ macht.
Habt ihr schon einmal an die Rückseite eures Kühlschranks gefasst? Dort ist es warm. Vereinfacht gesprochen funktionieren Rechenzentren genauso. Wenn sie Daten verarbeiten, erbringen sie nicht nur eine Dienstleistung für ihre Kunden und machen Menschen mit dem Smartphone in der Hand glücklich. Sie erzeugen auch Wärme, die als Abfallprodukt durch die Kühlung der Rechner entsteht und deshalb auch Abwärme genannt wird.

5,7 Mio. HD-Videos – pro Sekunde!

Frankfurt hat sich in den vergangenen Jahren den Titel „Hauptstadt des Internets“ erarbeitet. Die Stadt und die Rhein-Main-Region sind das Powerhouse der Digitalisierung in Europa. An keinem anderen Ort ballt sich eine größere Rechenzentrums-Leistung. Denn in der Mainmetropole ist der weltweit größte Internetknoten DE-CIX beheimatet. Über 1.000 Netze werden hier zusammengeschaltet. Auch das macht Frankfurt attraktiv für die Betreiber von Rechenzentren. Sie suchen die Nähe zum Internetknoten.
Vom DE-CIX hört man regelmäßig, wenn mal wieder ein neuer Rekord im Datendurchfluss geknackt wird. Zum Beispiel am 16. April 2024, als erstmals die Schallmauer von 17 Terabit durchbrochen wurde, die innerhalb von 1 (!) Sekunde durch den Internetknoten liefen. Dies entspricht 5,7 Mio. Videos in HD-Qualität oder 3,9 Mrd. beschriebener DIN-A4-Seiten, die einen Stapel von 420 km Höhe bilden würden. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist der Internetverkehr am DE-CIX kräftig gestiegen. Das heißt auch: In einer Stadt wie Frankfurt entsteht enorm viel Abwärme. In einer Modellrechnung hat das Konsortium DC-Heat (Data Center Heat Exchange with AI-Technologies) ermittelt, dass rein rechnerisch ab 2030 der Wärmebedarf von allen Büros und Privathaushalten der Stadt mit der Abwärme von Rechenzentren gedeckt werden könnte. Wohlgemerkt: rechnerisch.

Challenge? Accepted! Abwärmenutzung im Quartier „franky“

Um Abwärme zum Heizen oder Duschen zu nutzen, müssen in der Regel einige Herausforderungen gemeistert werden. Zum einen sind die Rechenzentren oft zu weit von Wohngebieten entfernt, sodass eine wirtschaftliche Nutzung der Abwärme kaum möglich ist. Zum anderen sind in vielen Wohnungen alte Heizungssysteme mit sehr hohen Vorlauftemperaturen verbaut, die man erst umrüsten müsste. Warum? Die Abwärme eines Rechenzentrums beträgt rund 35 °C, eine Heizung benötigt meist aber 70 °C. Die Temperatur ist auch der Grund, warum die Abwärme nicht einfach ins Fernwärmenetz eingespeist werden kann. Über das Fernwärmenetz verteilen wir in Frankfurt Wärme an mehr als 4.300 Hausanschlüsse.

An dieser Stelle kommt Dr. Béla Waldhauser ins Spiel. Er ist der CEO von Telehouse, einem der großen Rechenzentrumsbetreiber in Frankfurt. Auf 25.000 m2 Fläche sorgt Telehouse dafür, dass mehr als 100 Kundinnen und Kunden am Standort in der Kleyerstraße im Frankfurter Gallusviertel ihre Daten verarbeiten können. Wenn Waldhauser in seinem Büro aus dem Fenster schaut, blickt er auf das Quartier „franky“, wo bis Mitte 2025 rund 3.000 Menschen wohnen sollen. Auch Platz für Firmen, Geschäfte und drei Kindertagesstätten hat der Projektentwickler Instone Real Estate eingeplant.

„Abwärme nutzen – das funktioniert!“

Als Waldhauser von den Planungen hörte, griff er sofort zum Telefon. Ein Neubau! In direkter Nachbarschaft! Damit waren zwei der bisherigen Hürden, um Abwärme zu nutzen, schon einmal aus dem Weg geräumt. „Wir wollen zeigen: Abwärme aus Rechenzentren zu nutzen, das funktioniert. Und das rechnet sich auch“, erläutert der Telehouse-CEO. Um die dritte Hürde kümmern wir uns bei Mainova und haben eigens ein Versorgungskonzept mit zwei Großwärmepumpen mit je 320 kWth entwickelt. Sie heben die 35 °C warme Abwärme auf die benötigte Vorlauftemperatur von circa 70 °C an. Als Back-up-System und zusätzliche Versorgungsquelle für die kalten Wintermonate fungiert unser über 300 km langes Fernwärmenetz. Die Leitung ins Quartier „franky" wurde bereits gebaut. Auch dies ist gut für die Umwelt, denn der Fernwärmeverbund vermeidet jährlich rund 100.000 t CO2.

Eine Win-Win-Win-Situation also: Der Projektentwickler Instone kann seinen Kunden eine nachhaltige Wärmeversorgung bieten und sich sicher sein, dass die Wohnungen auch dann warm bleiben, sollte das Rechenzentrum nicht in der Lage sein, Abwärme zu liefern – was nicht zu erwarten ist. Mainova unterstützt professionell mit intelligenten Energielösungen aus einer Hand. Und Telehouse beweist, dass die breit geführte Diskussion um Nachhaltigkeit von Rechenzentren und Energieeffizienz kein Lippenbekenntnis ist. Denn per se sind Rechenzentren eine ressourcenschonende Infrastruktur, die dafür sorgt, dass nicht jedes einzelne Unternehmen ein Rechenzentrum unterhalten muss. Oft wird durch digitale Lösungen selbst CO2 gespart, z. B. wenn Meetings virtuell stattfinden und lange Anreisewege entfallen.

Wie viel CO2 das Projekt „franky“ pro Jahr einspart und zu welchen Anteilen der Wärmebedarf aus Abwärme und Fernwärme gedeckt wird, könnt ihr auf unserer Referenzseite nachlesen. Dort gibt’s die ganze Story.

Quartier „franky“: Daten und Fakten

Gebäudeenergiegesetz: klimafreundlich heizen

Aber wo überall wird der Anschluss an ein Fernwärmenetz gesichert? Wo kann unvermeidbare Abwärme genutzt werden? Städte und Kommunen erarbeiten derzeit Wärmepläne, die zeigen, wie die Infrastruktur aussehen wird und welche Heizart vor Ort in den nächsten Jahrzehnten sinnvoll ist. Für mehr Infos zum GEG empfehlen wir euch unseren Blogartikel!

Das GEG 2024

Im Januar trat die umfassende GEG-Novelle in Kraft. Zentraler Punkt: Beim Einbau neuer Heizungen werden erneuerbare Energien zum Standard. In Neubaugebieten greifen die GEG-Pflichten schon jetzt, für Bestandsgebäude gibt es Übergangsfristen. Wir geben einen Einblick ins Gebäudeenergiegesetz!

GEG: Blogartikel lesen

Wie das Kulturzentrum Batschkapp von der Abwärmenutzung profitiert

Die „Kapp“ ist eine echte Kult-Location in der Frankfurter Klubszene! Wer in letzter Zeit dort war, hat es vielleicht gesehen: das Rechenzentrum der Mainova WebHouse in der Gwinnerstraße. Mainova WebHouse, eine unserer Tochtergesellschaften, ist ein digitales Infrastrukturunternehmen, das sich auf Entwicklung, Bau und Betrieb von Rechenzentren in vorbildlich ökologischer Bauweise konzentriert. Bei der Abwärmenutzung in der Batschkapp arbeiten wir eng mit dem Kulturzentrum zusammen, sodass ab voraussichtlich Mitte 2024 erstmals in Frankfurt gewerblich genutzte Bestandsgebäude ausschließlich mit Abwärme aus einem Rechenzentrum geheizt werden. Zwei Hochtemperaturwärmepumpen bringen die Abwärme auf die notwendige Vorlauftemperatur. Die Vorteile:

  • Die Verwendung der überschüssigen Abwärme zu Heizzwecken – sowohl für das Rechenzentrum selbst als auch für benachbarte Gebäude – spart nachhaltig Energie
  • Durch die Wärmeentnahme sinkt der Energieverbrauch für die Kühlung des Rechenzentrums
  • Dies spart zusammen rund 35 t CO2 im Jahr

Die Batschkapp war übrigens auch schon Thema in unserem beliebten Podcast. Hört gerne mal rein!

Aus dem Rechenzentrum ins Wärmenetz

Abwärme aus Rechenzentren – nur in Downtown Mainhattan? Nein! Auch außerhalb der City werden die Herausforderungen gemeistert. Im Langener Wirtschaftszentrum Neurott planen die Stadtwerke Langen und Mainova WebHouse den Bau eines Rechenzentrums, um damit Wohnungen zu heizen. Für das Kooperationsprojekt haben die Stadtwerke ein Grundstück erworben, das bereits durch eine Glasfasertrasse angeschlossen ist. Mainova WebHouse wird darauf ab 2025 ein neues Datencenter bauen.
Das innovative Konzept sieht vor, die bei der Serverkühlung entstehende Abwärme direkt vor Ort ins Fernwärmenetz einzuspeisen. Damit können mehrere Wohnquartiere mit Wärme für Heizung und Warmwasserbereitung versorgt werden.

Schnell noch ein Blick nach Hattersheim am Main. Auch dort wird Abwärme aus einem Rechenzentrum bald effizient genutzt. Bereits seit 2014 betreiben wir vor Ort ein Nahwärmenetz, über das das Wohngebiet am Hugo-Hoffmann-Ring mit Biomethan aus einem Blockheizkraftwerk versorgt wird. In unmittelbarer Nachbarschaft entstehen ein Neubaugebiet und das Rechenzentrum von NTT DATA. Perfekte Bedingungen!

Über 600 Haushalte im Neubau- und Bestandswohngebiet werden künftig über ein gemeinsames Wärmenetz verbunden, das fast vollständig mit der klimafreundlichen Serverabwärme aus dem Rechenzentrum versorgt werden kann.

Quartiersversorgung in Hattersheim: Pressemitteilung lesen

Mehr Energie für weniger CO2

Ihr seht: Bei der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung tut sich viel – das ist wichtig für die Energiewende und den Klimaschutz. Doch Digitalisierung, Wärmepumpen, Elektromobilität und Bevölkerungswachstum lassen den Strombedarf in der Rhein-Main-Region anwachsen. Rechenzentren etwa machen in Frankfurt schon heute über 20 % des Stromverbrauchs aus und verstärken den Ausbaubedarf des Stromnetzes. Mit unserem Tochterunternehmen NRM Netzdienste Rhein-Main GmbH haben wir frühzeitig eine Kapazitätserweiterung vorgesehen. In den letzten 20 Jahren wurde das Stromnetz in Frankfurt bereits um mehr als 800 km ausgebaut. Und wir machen es weiter fit für die Zukunft. Mehr spannende Versorgungsthemen wie zum Beispiel die zuverlässige Aufbereitung von Trinkwasser oder Infos zu unserem regionalen Engagement findet ihr immer hier im Blog und auf unseren Social-Media-Kanälen.

Hat Ihnen der Beitrag weitergeholfen?

0

Ein starkes Netz für Versorgungssicherheit

Energie rund um die Uhr dank stabiler Stromnetze und moderner Erzeugungsanlagen. Wir erklären, wie die Frankfurter Versorgungsnetze funktionieren und worauf es in puncto Netzqualität auch in Zukunft ankommt.

Energieversorgung in Frankfurt